Eröffnung der Ausstellung „der Faszination der textilen Arbeit erliegen . . .“ durch Dr. Margrit Bauer
Neue textile Arbeiten von Jutta Briehn sind in stimmungsvollen Rahmen zu sehen, im historischen Terracotta-Saal von Burg Kronberg. Hier ein paar Gedanken zum Erscheinungsbild und Charakter der ausgestellten Kunstwerke: „vielschichtig“ in Thematik und auch im Wortsinn erscheinen sie. Das Quilten, eine traditionelle kunsthandwerkliche Herstellungsweise für schmuckvolle Decken und Behänge wurde Jutta Briehns technische Grundlage. Bereits seit den 1970er Jahren kam sie damit in den USA in Verbindung – es wurde ihre Profession und ihre Passion!
Mit ihren Arbeiten nimmt sie seit Jahren erfolgreich an Ausstellungen und Wettbewerben wohl der meisten nationalen und internationalen Textil-Institutionen und Konventionen teil: etwa der Triennale Heidelberg, der European Art Quilt in den Niederlanden oder in Frankreich, außerdem in Ausstellungen in USA oder Japan. In ihrer Heimatstadt Kronberg erhielt sie 2002 die Auszeichnung den Kulturpreis der Stadt.
Jedes Kunstwerk ist in einer bestimmten Form entstanden, es zeigt seine Eigenart, seinen „Stil“, und es macht Ideen seines Schöpfers sichtbar. Dazu ein paar Gedanken vor den Bildwerken von Jutta Briehn. Zunächst formales: Die Komposition entwickelt sich in der Fläche, Vertikale und Horizontale bilden das unsichtbare, aber spürbare Gerüst. Bildtiefe, Räumlichkeit (falls gewollt) entstehen durch Farbabtönungen und verschachtelte, geschichtete Teile.
Der technische Bildaufbau ist der einer Collage, wobei das Befestigungsmittel aber nicht ein Klebstoff ist, sondern durch Aufnähen erfolgt. Die verwendeten Stoffe entwickeln durch unterschiedliche Strukturen eine höchst lebendige Oberfläche – bevorzugt verwendet die Künstlerin in ihren neueren Werken Leinenstoffe ( in „Leinwandbindung“, d.h. gleichstark, rechtwinklig gekreuzt, wirken ganz „neutral“) verschiedener Qualitäten, von grober bis zu ganz feiner Struktur – dazu kommen effektsetzende Stoffe wie etwa hauchfeine Gaze oder nicht-textile Materialien wie z.B. Papier oder Sand (verklebt).
Farbigkeit entsteht durch individuelles Einfärben der Leinenstoffe in alle gewünschten Nuancen – von kraftvoll intensiv bis zart – Akzente durch den Auftrag zusätzlicher Farbpigmente mit Pinsel oder den Händen, auch Siebdruck wird eingesetzt. Offene Ränder, Risse, Schnittkanten akzentuieren – wie auch genähte und/oder gestickte Linien, die grafisch eingesetzt werden, nicht nur als Befestigungsmittel – die Experimentierfreude scheint unerschöpflich und reicht bis zur Verwendung von (durch ein Gel stabilisiertes) Papier und aufgeklebten Sand.
Etwas zu den Bildthemen, den Inhalten und ihrer Bedeutung.
Von Jutta Briehn als „schöne Quilts“ kategorisierte Arbeiten genügten ihrer unerschöpflichen Phantasie in ihrer künstlerischen Laufbahn nicht. Natur- und Reiseeindrücke, Stimmungsbilder, bekommen zeitkritische, auch manchmal nachdenklich gestimmte Inhalte – so etwa „Der goldene Käfig“ oder „Goldene und dunkle Tage“, oder der Verweis auf die Vernichtung von Kultur durch das verbrannte Druckwerk in „Zerstörung“. Gedruckte Texte sind mit einer anschaulichen Darstellung des Themas kombiniert (etwa ein Zeitungsartikel über Eulen mit einem applizierten Eulenvogel aus Stoffteilen).
Ein Themenbereich bezeichnet „Spuren“: Pompeji, die unter der Lava des Vulkans eingestürzte antike Stadt, unter deren Trümmern auch die Wandmalereien waren, die sich wie ein Band über die Leinwand ziehen. Fragmente der besonderen Art gibt es auf den Collagen mit zerschlissenen und ausgeblichenen Resten indischer Tempeltücher mit Bemalung zu sehen. Es handelt sich um die Reste von Randborten mit Szenen aus der Krishna-Mythologie. Sie wurden in einen neuen Bildzusammenhang eingefügt und sind so vor weiterem Verfall gerettet und neu belebt.
Unter den mannigfachen Reise-Erinnerungen seien beispielhaft Behänge mit Impressionen aus Indien oder Afrika genannt und die Darstellung der Wüstenstadt Shibam (Jemen) mit ihren aus Lehm erbauten, Jahrhunderte alten Hochhäusern inmitten einer Wüste, deren Sand sozusagen greifbar wird – und so eine dichte atmosphärische Stimmung entsteht.